Mit dem Fall von Konstantinopel und dem geradezu explosiven Vorrücken der Osmanen gegen Mitteleuropa drohte akute Gefahr. Überfallen, beraubt und verschleppt zu werden, wurde ein bedrohlicher Bestandteil des Alltags. Hab, Gut und Leben im unmittelbaren Umfeld möglichst schnell zu sichern, wurde überlebenswichtig. Vieh und Saatgut für sich zu retten und damit den Angreifern vor Ort verfügbare Verpflegung zu entziehen, konnte die Belagerungsdauer erheblich verkürzen.
Alle Truppen, ob von Freund oder Feind, waren auf im Umfeld auffindbare Verpflegung angewiesen. Gab es nichts mehr zum Essen, zog man dem nächsten Belagerungsziel entgegen.
Bis zur Entwicklung brauchbarer und leicht transportierbarer Feuerwaffen war es möglich, sich in wuchtigen, möglichst unbrennbaren Gebäuden wirksam gegen Angreifer zu verteidigen.
Pfeil und Bogen und Wurfsteine, fallweise auch die Armbrust waren die Waffen der Verteidiger. Einzelne Fälle der Verwendung von Hakenbüchsen sind belegt. Geschütze über die bestenfalls für Ochsenkarren nutzbaren Wege zu transportieren, war wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Burgen waren nicht immer in unmittelbarer Reichweite vorhanden. Dichter war das Netz der Kirchen, die zudem meist die einzigen aus Stein errichteten Bauten im Dorf waren. Diesen Vorteil für den Schutz von Hab, Gut und Leben der Bewohner zu nutzen, war naheliegend.
Um 1500 setzten daher umfangreiche Bauarbeiten an den Kirchen der Buckligen Welt ein. Wehrmauern wurden errichtet und die Kirchen vielfach mit Wehrgeschoßen aufgestockt, die Zugänge mit darüber liegenden Gusserkern und durch geschickt angelegte Schießscharten gesichert. Brunnen oder Zisternen innerhalb der Kirchen sicherten die Wasserversorgung.
Das Haus Gottes im Dorf wurde so auch für den sehr profanen Zweck einer rasch verfügbaren Schutzanlage genutzt.
Die Organisation für diese Maßnahmen lag bei den Patronatsherren. Durch die Zehentschenkung an das Stift Reichersberg am Inn von 1144 im Raum Pitten und der Großpfarre Bromberg bis zum Hartberg und zur ungarischen Grenze lagen die damit verbundenen Pflichten daher überwiegend bei den Chorherren des Stiftes Reichersberg am Inn und in allen Fällen bei der zum Robot verpflichteten Bevölkerung.
Das Ende der türkischen Bedrohung unseres Raumes machte die Wehranlagen als Festungen um 1710 bedeutungslos.
Naturgemäß wurden funktionslos gewordene Bauteile nicht mehr instandgesetzt sondern vielfach abgetragen oder durch Umbauten total verändert. Nicht mehr benötigte Einrichtungen wurden zum Steinbruch und damit einer wirtschaftlich nutzbaren Wiederverwertung zugeführt.
Lediglich die Tatsache, dass die Bevölkerung der Buckligen Welt eher arm war und die barocke Erneuerung daher nicht in dem Maß Platz griff wie in anderen Landesteilen, ermöglicht uns heute einen so umfangreichen Einblick in das System der Wehrkirchen.
Die Wehrkirchenlandschaft Bucklige Welt ist in der vorliegenden geschlossenen Form ein in Europa einmaliges Erlebnis für jeden, der Einblick in das Geschehen der letzten 800 Jahre sucht.